Praktikumsverträge können sowohl mit als auch ohne Vergütung geschlossen werden. Praktika dienen grundsätzlich dazu, dass der Praktikant den Beruf kennenlernen und seine Fertigkeiten und Fähigkeiten ausprobieren kann. Es handelt sich hierbei um einen Lern- und Berufsfindungsprozess. Einige Studiengänge setzen dagegen eine Durchführung von einen oder mehreren Praktika vor, sodass der Absolvent sich seines Wunsches bereits sicher ist. Das BAG hatte in seinem Urteil zu entscheiden, ob diesen Praktikanten ein Anspruch auf Mindestlohn zusteht.
Der Fall: Mehrwöchiges unbezahltes Praktikum als Studiumsvoraussetzung
Eine angehende Studentin hatte sich an einer staatlich anerkannten Universität auf einen Studienplatz im Fach Humanmedizin beworben. Für die Zulassung zu diesem Studiengang ist nach den Vorgaben der Universität ein mehrwöchiges Pflegepraktikum Voraussetzung. Die Klägerin durchlief das Praktikum, wobei keinerlei Bezahlung mit der Ausbildungsstätte vereinbart wurde. Die Klägerin begehrte von dem Krankenhaus, auf deren Krankenpflegestation sie das Praktikum durchführte eine Bezahlung von rund 10.300 EUR brutto und berief sich hierbei auf das Mindestlohngesetz. Im Mindestlohngesetz ist festgelegt, dass Praktikantinnen und Praktikanten den Mindestlohn erhalten. Dabei gibt es aber einigen Ausnahmen, zum Beispiel für Schülerpraktika oder Praktika im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie. Sie war der Ansicht, dass es sich nicht um ein Pflichtpraktikum i.S.d. § 22 MiLoG (Mindestlohngesetzes) handelt, sondern um ein Vorpraktikum, welches lediglich den Zugang zu dem gewünschten Studiengang ermöglicht. Dementsprechend würde die Vergütungspflicht weiterhin bestehen. Das LAG Rheinland-Pfalz hatte die Klage abgewiesen. Die Klägerin legte gegen das Urteil Revision ein.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das BAG bestätigte das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz. Nach § 22 Abs. 1 S.1, S.2 Nr. 1 MiLoG gilt das Gesetz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten. Nach Ansicht des Gerichts fällt die Klägerin nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 22 MiLoG, da das Gesetz auch die Art von Praktika erfasse, die für den Zugang eines Studiengangs notwendig seien. Dem steht ferner nicht entgegen, dass die Klägerin an einer privaten Universität das Studium absolvieren wollte. Denn die private Universität ist staatlich anerkannt und demnach einer öffentlichen Hochschule gleichgestellt. Nach Ansicht des Gerichts würde bei einer anderen Betrachtung der Regelungsgehalt des Mindestlohngesetzes umgangen werden. Demzufolge war die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin anzusehen und hat keinen Anspruch auf Erhalt des Mindestlohnes.
Arbeitsrecht-Urteil des BAG 09.01.2022, Az. 5 AZR 217/21
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