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Urheberrecht: Kann durch Veränderung eines Designermöbels Neues entstehen?

Ein Urteil des BGH eröffnet Perspektiven zur Weiterentwicklung und Neugestaltung von klassischen Designs. 

Für Designer und Kreative stellt sich in der Praxis oft die Frage, wo die Grenzen der eigenen Schöpfung liegen und wie weit man sich von vorhandenen Designs inspirieren lassen kann und darf. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 09.11.2023 hat in diesem Zusammenhang wichtige Maßstäbe zum Urheberrechtsschutz gesetzt.  

In dem vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob ein Tischgestell als eigenständiges Werk geschützt werden kann, wenn es durch Zersägen und Neuzusammensetzen eines bereits vorhanden Designertischs entstanden ist.1

Geklagt hatten die Erben des Architekten Egon Eiermann, welcher 1953 ein Tischgestell entworfen hatte, das sich unter anderem durch raumdiagonal verlaufende Querstreben auszeichnete. Der Eiermann-Tisch wurde wegen dieser Besonderheit mit dem folgenden Werbespruch vermarktet: „Stößt du dir die Beine an, sitzt du an ‚nem Eiermann“.  

Beklagter in dem Rechtsstreit war Adam Wieland. Dieser hatte das Eiermann-Gestell im Jahr 1965 zersägt und die Einzelteile neu zusammengesetzt. Adam Wieland veränderte also die Grundidee des „Gestells 1953“, sodass die Diagonalen vertikal weiter hinten und nicht in unmittelbarer Reichweite der Beine verliefen. Das dadurch entstandene neue Modell wird seitdem unter der Bezeichnung „E2“ von Adam Wieland vertrieben. 

Die Erben des Architekten Eiermann sahen hierin eine Urheberrechtsverletzung und argumentierten, dass Adam Wieland durch das Zersägen und Neuzusammensetzen des Urstücks den Eiermann-Tisch entstellt hatte. Die Klage richtete sich jedoch gegen den Vertrieb des „E2“ und damit gegen die Nachbauten des Eiermann-Modells. Sie verlangten daher finanzielle Entschädigung für die unbefugte Nutzung der Gestaltungsidee.  

Der BGH bestätigte nun die Auffassung der Berufungsinstanz, dass keine Entstellung im Sinne des Urhebergesetzes vorliegt. Denn der „geistig-ästhetische Gesamteindruck“ des Urgestells wurde nicht verändert. Der „E2“ stelle keine Umgestaltung des „Urstücks“ dar, da dieser nicht das prägende Merkmal der diagonalen Kreuzverstrebung übernommen hatte. Das Modell des „E2“ stelle vielmehr eine eigenständige Schöpfung dar.  

Kurzum: der Gesamteindruck beider Modelle unterscheidet sich so weit, dass beide als unabhängige Werke einzuordnen sind. Denn das besondere Merkmal des Eiermann-Modells sind gerade die raumdiagonalen Streben gewesen, da sich das minimalistische Design ansonsten nicht erheblich von den gängigen Gestaltungen eines Tischs unterscheidet.  

 Die Entscheidung verdeutlicht damit, dass auch urheberrechtlich geschützte Werke als Inspiration für eigene Kreationen genutzt werden dürfen. Denn wenn eine neue Gestaltung so stark vom älteren Werk abweicht, dass die prägenden Elemente nicht mehr erkennbar sind, liegt keine Verletzung des Urheberrechts vor. Was das Zersägen des Werkes betrifft, so urteilte der BGH schlicht, dass es keinen Unterschied mache, ob ein Modell nur gedanklich in seine Einzelteile zerlegt oder tatsächlich zersägt werde.   

Hierzu ist anzumerken, dass dies selbstverständlich nur dann gilt, solange das Zerstören des Werkes nicht öffentlich stattfindet. Dann würde man sich wieder über eine Entstellung des Originals streiten.  

Das Urteil ist damit ein wichtiger Wegweiser für den Bereich des Produktdesigns und eröffnet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Neugestaltung von klassischen Designs. 

Dennoch ist die Frage der Verletzung von Urheberrechten stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig. Wir beraten Sie daher gern zu allen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes und helfen Ihnen bei der Durchsetzung der Rechte an Ihrem Geistigen Eigentum weiter.   

Quellen

  1. BGH, Urteil vom 09.11.2023 – I ZR 203/22 ↩︎
Über die Autorin
Josephine Klawon
Josephine Klawon

Als Rechtsanwältin des Legal Teams unserer Kanzlei berate ich in allen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes, insbesondere in den Bereichen des Marken- und Urheberrechts.

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