Der Online-Coaching-Markt boomt. Viele Anbieter und Kunden nutzen weiterhin digitale Plattformen. Hierfür werden Online-Coaching-Verträge geschlossen. Diese Verträge und die dort enthaltenen Regelungen sorgen immer wieder für rechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien. Bereits mehrfach hatten sich die Gerichte hiermit zu beschäftigen.
Ein häufiges Thema ist dabei die Frage, ob dem Kunden ein Widerrufsrecht zusteht. Wenn Verbraucher z.B. einen Fernabsatzvertrag , also z.B. übers Internet, abgeschlossen haben, steht ihnen ein Widerrufsrecht zu. Das Widerrufsrecht kann grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen ausgeübt werden. Für Unternehmer ist ein Widerrufsrecht jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Die Einordnung, ob sich um einen Verbraucher oder einen Unternehmer handelt, kann, insbesondere bei der Frage, ob es sich um Existenzgründer handelt, schwierig werden.
Das LG Landshut1 hatte sich in seinem Urteil vom 10.05.2024 mit genau dieser Problematik in Bezug auf das Widerrufsrecht bei Online-Coaching-Verträgen zu beschäftigen.
Vom YouTube-Werbespot zum Rechtsstreit
Der Kläger wurde durch Werbung auf diversen Social-Media-Kanälen wie z.B. YouTube und Instagram auf einen Coachinganbieter aufmerksam. Der Coachinganbieter wirbt mit einem schnellen Erfolg und gibt eine Erfolgsgarantie ab. Nach einem telefonischen Beratungsgespräch schloss der Kläger den Coaching-Vertrag ab.
Der Vertrag kam aber nicht mit dem Anbieter zustande, sondern mit der Beklagten, einer Verkaufsplattform. Der Kläger zahlte an die Beklagte eine Rate des vereinbarten Gesamtpreises. Doch kurz darauf entschied er sich, den Vertrag zu widerrufen und verlangte sein Geld zurück. Der Kläger argumentierte, er habe den Vertrag nur aufgrund der Geld-zurück-Garantie und dem Bestehen des Widerrufsrechtes geschlossen. Der Kläger, gelernter Kfz-Mechatroniker ohne den für die Selbständigkeit notwendigen Meisterbrief, habe das Gespräch nur aus Neugierde wahrgenommen. Das Onlineformular sei nicht von ihm, sondern dem Gesprächspartner ausgefüllt worden. Der Kläger argumentierte weiter, dass er davon ausging, dass die Beklagte Vertragspartner sei und nicht der Coachinganbieter. Die Bedeutung des Checkboxhakens, wonach der Widerspruch ausgeschlossen sei, sei ihm nicht bewusst gewesen.
Die Beklagte behauptete, dass sie nur als Wiederverkäuferin in Erscheinung getreten sei und es damit offensichtlich sei, dass sie nicht Vertragspartnerin werden würde. Der Kläger habe das Formular zudem selbst ausgefüllt. Ferner sei er Existenzgründer, dem kein Widerrufsrecht zustehen würde.
Rechtliche Würdigung:
Fernabsatzvertrag und Verbraucherstatus
Das Gericht stellte fest, dass nach den Umständen dieses Falles die Beklagte Vertragspartnerin wurde. Das Gericht musste sodann klären, ob der Kläger als Verbraucher (§ 13 BGB) oder Unternehmer (§ 14 BGB) zu sehen ist.
Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Kläger kein Existenzgründer sei, da er sich noch nicht zur Aufnahme eines eigenen Unternehmens entschlossen habe. Dies Entscheidung habe er allenfalls vorbereitet und hätte diese Entscheidung nach Auffassung des Gerichtes erst im Nachgang getroffen. Das Gericht stellte fest, dass das von der Beklagten angebotene Coaching allenfalls eine Art Informationsbeschaffung sei, um die Entscheidung treffen zu können, ob sich der Kunde selbstständig machen wolle. Zudem verwies das Gericht darauf, dass auch die Beklagte davon ausgehe, dass sie mit Verbrauchern einen Vertrag abschließe, da andernfalls die standardmäßige Checkbox für das Widerrufsrecht überflüssig wäre.
Kein Erlöschen des Widerrufsrechts
Bei Fernabsatzverträgen gilt ein 14-tägiges Widerrufsrecht (§ 312g BGB). Hier war die Widerrufsbelehrung unzureichend, was die Widerrufsfrist verlängerte (§ 356 Abs. 3 BGB). Zudem war die Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht, wodurch das Widerrufsrecht nicht erlosch (§ 356 Abs. 4 Nr. 1 BGB).
Der Kläger hat damit den Vertrag erfolgreich widerrufen und einen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Beträge (§ 357 Abs. BGB BGB). Das Gericht gab dem Kläger Recht und wies darauf hin, dass die Belehrungspflichten bei Fernabsatzverträgen strikt eingehalten werden müssen.
Immer eine Frage des Einzelfalls:
Anders entschied das LG Ravensburg2 im Urteil vom 11. Juli 2023. Auch in diesem Fall wurde ein Online-Coaching-Vertrag geschlossen. Die dortige Klägerin ist die Anbieterin eines Business-Coachings. Dieses Coaching ist darauf gerichtet, erfolgreich einen Online-Shop aufzubauen und zu betreiben. Der Vertragsschluss fand ebenfalls im Zuge eines telefonischen Gesprächs zwischen der Klägerin und dem Beklagten, dem Kunden, statt. Der Beklagte stimmte den AGB zu. Nach Erhalt der ersten Rechnung widerrief der Beklagte den Vertrag und erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Der Beklagte behauptet, dass es sich bei dem Gespräch um ein „kostenloses Strategiegespräch“ handeln sollte. Er habe weder behauptet, zur Selbstständigkeit und Gründung einer Existenz entschlossen zu sein, noch habe ihm die Klägerin zu verstehen gegeben, dass sie nur mit Unternehmern Verträge abschließen wolle. Dementsprechend sei er Verbraucher. Ferner handle es sich nach Ansicht des Beklagten um einen Fall des Fernunterrichtsgesetzes, womit der Vertragsabschluss wegen nicht vorgenommener Zulassung des Coachings gem. § 7 Abs. 1 FernUSG iVm § 12 Abs. 1 FernUSG nichtig sei. Zudem sei der Vertrag sittenwidrig und er wäre getäuscht worden. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Widerruf unwirksam sei. Sie habe in den AGB und im Telefonat darauf hingewiesen, dass Sie nur Verträge mit Unternehmern abschließen würde. Die Unternehmereigenschaft habe der Beklagte bestätigt.
Das Gericht stellte fest, dass kein Fall des Fernunterrichtsgesetzes vorliegt.
Das Gericht musste in diesem Fall ebenfalls abgrenzen, ob in diesem Fall die Entscheidung zur Existenzgründung vorbereitet werden soll oder ob diese bereits getroffen wurde. Nach Ansicht des Gerichtes zielt das von der Klägerin angebotene Coaching darauf ab, dem Kunden das nötige Wissen für den Aufbau und den erfolgreichen Betrieb eines eigenen Online-Shops zu vermitteln und unterstützt ihn bei der praktischen Umsetzung, sodass während des Coachings bereits die ersten Schritte vorgenommen und Umsätze generiert werden. Folglich geht es nicht nur um die reine Wissensvermittlung und Vorbereitung des Kunden zur Existenzgründung. Wenn ein Kunde dieses Coaching in Anspruch nimmt, hat er nach Ansicht des Gerichts die Entscheidung zur Existenzgründung bereits getroffen. Dementsprechend richtet sich das Coaching ausschließlich an Existenzgründer, sodass der Beklagte als solcher zu behandeln war.
Zudem sind auch keine Hinweise auf eine Sittenwidrigkeit oder eine arglistige Täuschung zu finden. Ein Drängen zum Vertragsschluss oder ein treuwidriges Verschweigen seien nicht ersichtlich. Ebenfalls war für das Gericht nicht ersichtlich, dass der Vertrag unzulässigerweise so ausgestaltet gewesen wäre, dass das Widerrufsrecht vermieden werden sollte. Dementsprechend kam der Vertrag wirksam zustande und konnte auch nicht angefochten werden.
Fazit und Ausblick
Beide Urteile haben auf den ersten Blick den gleichen Fall: Coachinganbieter schließen mit ihren Kunden einen Vertrag, welche diesen widerrufen. Die Entscheidungen des Gerichtes fielen aber unterschiedlich aus. Knackpunkt war jeweils die Frage, ob es sich um einen Existenzgründer und damit um einen Unternehmer oder um einen Verbraucher handelt. diese Urteile unterstreichen die Bedeutung, angemessen zwischen Verbrauchern und Unternehmenskunden zu unterscheiden. Es kommt auf die Gesamtbetrachtung der Ausgestaltung des Coachings und der Vertragsdokumente an.
Für Unternehmen bedeutet es, ihre Vertragsdokumente sowie die Angebote sorgfältig zu gestalten und zu bewerben, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Anpassung Ihrer Verträge.