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Meinungsäußerung, Identifizierbarkeit und Persönlichkeitsrechte in Social Media

Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob in Social Media getätigte Äußerungen so konkret waren, dass die betroffenen Personen identifizierbar waren.

Mehr als 80% der in Deutschland lebenden Menschen nutzen Social-Media-Kanäle. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Plattformen werden für berufliche und private Zwecke genutzt, z.B. um mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben oder Inspirationen zu finden. Social-Media-Kanäle werden zur Freizeitbeschäftigung, Unterhaltung und zur Informationsbeschaffung genutzt. Äußerungen auf Social Media tragen damit auch zur Meinungsbildung in verschiedenen Themengebieten wie auch Politik und Wirtschaft bei, können aber auch persönlicher Natur sein. Einige Social-Media-User verwenden die Plattformen auch, um ihre „Follower“ per Fotos und Videos über Leben und ihre Gefühle zu informieren – und laufen bei unbedachter Nutzung dabei Gefahr, Dritte zu beleidigen oder zu verleumden.

Besonders auf Plattformen wie TikTok oder Instagram können Äußerungen schnell zu Konflikten führen, die gegebenenfalls vor Gericht landen. Hier kommt es immer wieder zu der Frage, wann hier noch eine Meinungsfreiheit vorliegt und wann es sich um eine Tatsachenbehauptung, oder gar um eine Verleumdung oder Beleidigung handelt?

Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob in Social Media getätigte Äußerungen so konkret waren, dass die betroffenen Personen identifizierbar waren.1

Die Hintergründe: Ein Social-Media-Streit eskaliert 

Der Antragsteller sieht sich mit Äußerungen konfrontiert, die von der Antragsgegnerin verbreitet wurden. Die Antragsgegnerin hatte währendes eines öffentlichen Livestreams, behauptet u.a., dass eine Gruppe von Menschen zu denen auch der Antragsgegner, der unter dem Pseudonym „Mr.K…..“ auf TikTok aktiv war, konkrete Rachepläne gegen sie habe. Diese Rachepläne sollen konkrete Gewalttaten bzw. Gewaltfantasien gegen sie enthalten. Sie behauptet weiter, dass die Personen gegen sie gerichtlich vorgegangen wären. Zudem würde diese Gruppe von Menschen Bezahlungen in Form von Livestream-Geschenken erhalten. Im Rahmen des Livestreams nannte sie dabei nie die Namen oder Pseudonyme der Personen, sondern führte anonymisiert aus.

Bereits zuvor hatten die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der es der Antragsgegnerin untersagt hatte, sich in irgendeiner Form über den Antragsteller zu äußern. Trotz dieser Vereinbarung setzte die Antragsgegnerin ihre Äußerungen fort. Im Wege der einstweiligen Verfügung beantragte der Antragsgegner, dass die Antragstellerin die konkret genannten Äußerungen zu unterlassen habe. Das Landgericht Chemnitz wies den Antrag zurück, da in den „verwirrenden“ Statements der Antragsgegnerin keine erhebliche Persönlichkeitsverletzung zu erkennen sei. Der Antragsgegner reichte hiergegen die sofortige Beschwerde ein. Nun musste das OLG Dresden entscheiden. 

Die rechtliche Bewertung der Äußerungen

Identifizierbarkeit trotz Namensverschleierung

Das Gericht musste zunächst klären, ob der Antragsgegner durch die Äußerungen der Antragstellerin identifizierbar war. Das Gericht stellte klar, dass es im bei der Identifizierbarkeit einer Person nicht darauf ankommt, ob zumindest ein erheblicher Teil der Adressaten oder der Durchschnittszuschauer die betroffene Person identifizieren kann. Es reicht nach Ansicht des Gerichtes aus, dass die Informationen über den Antragsgegner an Personen geraten, die aufgrund sonstiger Kenntnisse die betroffene Person zu identifizieren können. Hierzu müssten auch keine Namenskürzel genannt werden, es würden auch Teilinformationen ausreichen, aufgrund derer ein entsprechender Bekanntenkreis die betroffene Person identifizieren könne. Diese ausreichenden Teilinformationen habe die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Livestreams geäußert, sodass der Antragsteller für den entsprechenden Personenkreis identifizierbar war. Das Gericht machte dabei deutlich, dass die Antragsgegnerin sich bereits zuvor öffentlich auf der Plattform zu dem Antragsteller geäußert habe und Behauptungen aufstellte, was zu einem Gerichtsverfahren führte. Hinzukam, dass eine Followerin auch feststellte, dass sich Rückschlüsse auf den Antragsgegner zulassen.

Persönlichkeitsrechtsverletzung durch schwere Anschuldigungen

Das Gericht hatte dabei keine Zweifel, dass es sich um eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte handelte.  Im Rahmen der Beurteilung kommt es nur auf den objektiven Sinngehalt der Äußerungen an; subjektive Ansichten sind dabei irrelevant. Es kommt auf das Verständnis des unvoreingenommenen und verständigen Publikums an. Bei der Beurteilung kommt es u.a. auf den Wortlaut, den allgemeinen Sprachgebrauch, den Kontext und die Begleitumstände an, im Rahmen derer die streitgegenständlichen Äußerungen getroffen werden.

Das Gericht stellt fest, dass die „Beiträge zwar sprachlich missglückt, schwer verständlich und verworren“ gewesen sei, es aber erkennbar war, dass eine bestimmte Person Rachepläne gegen sie habe. Auch die konkreten Gewalttaten seien eindeutig genannt worden. Irrelevant war es nach Ansicht des Gerichts, ob es sich bei diesen Plänen um objektivierbare Behauptungen handeln würde. Eine solche Schutzschranke ist im Gesetz nicht vorgesehen. Des Weiteren gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Äußerungen der Antragsgegnerin „nicht ernst gemeint“ gewesen wären. Abschließend stellt das Gericht fest, dass der Vorwurf der Planung von schweren Straftaten ohne jeden Zweifel eine Ehrverletzung von erheblichem Gewicht darstelle. 

Trotz ehrverletzender Äußerung kein Rechtsschutzbedürfnis – die Wirkung des Prozessvergleichs 

Im Ergebnis wurde die Beschwerde dennoch mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückgewiesen, da die Parteien sich bereits in einem vorherigen Rechtsstreit vergleichen hätten. Bei einer einstweiligen Verfügung muss auch ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen. Ein solches liegt vor, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Inanspruchnahme der gerichtlichen Entscheidung hat und wird bspw. abgelehnt, wenn es einen einfacheren Weg gibt, um seine Rechte durchzusetzen.
Ein solcher einfacherer Weg war der geschlossene Prozessvergleich. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Antragsgegnerin, dass sie es unterlässt Meinungsäußerungen oder Tatsachenbehauptungen über den Antragsteller zu verbreiten. Ein rechtlicher Vergleich ist keine Kleinigkeit, sondern ein rechtlicher Titel und Vertrag mit einer weiten Bedeutung. Handelt man entgegen diesem Prozessvergleich, kann dies Konsequenzen, wie z.B. Zahlungsverpflichtungen, haben. Das Gericht stellte fest, dass die Ehrverletzung durch die Antragsgegnerin von dem Vergleich umfasst war. Dementsprechend hätte der Antragsgegner aus dem Vergleich vorgehen müssen. Für eine erneute Entscheidung bestand damit kein Rechtsschutzbedürfnis.

Rechtliche Folgen für Social-Media-Nutzer

Die Entscheidung zeigt, dass das Internet nicht der rechtsfreie Raum ist, für den es manchmal gehalten wird. Auch im Rahmen von Social Media sind Äußerungen mit Bedacht zu wählen. Sowohl Meinungsäußerungen als auch Tatsachenbehauptungen können als ehrverletzende Äußerungen gewertet werden. Hierbei ist immer eine Gesamtschau der Umstände vorzunehmen. Nutzer sozialer Medien sollten vorsichtig mit ihren Äußerungen umgehen und sich bewusst sein, dass sie für ihre Worte auch rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Die Entscheidung zeigt aber auch, welche Wirkungen Vergleiche zwischen Parteien haben. Der Schutzumfang von (Prozess-)Vergleichen ist vor der Erhebung von Klagen und Anträgen zu prüfen. Wird ein Umstand von einem Vergleich umfasst, ist aus dem Prozessvergleich vorzugehen, da dies der einfachere Weg ist. 

Quellen

  1. OLG Dresden, Beschluss vom 23.04.2024 – 4 W 213/24 ↩︎
About the author
Sabrina Lahne
Sabrina Lahne

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