Herkunft zählt: Was steckt hinter geografischen Herkunftsangaben?
Nach den Vorschriften der §§ 126 ff. MarkenG können für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse einschließlich Lebensmittel sowie garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel
- geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) oder
- geschützte geografische Angabe (g.g.A.)
registriert werden. Diese beiden Kategorien sind unter dem Begriff „geografische Herkunftsangaben“ zusammengefasst. Doch was genau steckt dahinter und was ist der Unterschied?
Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.):
Alle Produktionsschritte müssen im benannten Gebiet erfolgen. Hier ist der lokale Bezug besonders stark.
Geschützte geografische Angabe (g.g.A.):
Es reicht aus, wenn mindestens ein Produktionsschritt in der Region erfolgt und die Eigenschaften des Produkts maßgeblich auf diese Herkunft zurückzuführen sind.
Beispiele – “Dresdner Stollen” und “Thüringer Rostbratwurst”
Für „Dresdner Stollen“ müssen alle relevanten Herstellungsschritte in Dresden erfolgen, da es sich um eine geschützte Ursprungsbezeichnung handelt (g.U.). Bei „Thüringer Rostbratwurst“ genügt es, wenn mindestens ein Produktionsschritt in Thüringen erfolgt, sofern dieser Schritt die wesentlichen Eigenschaften des Produkts beeinflusst, da es sich um eine geschützte geografische Herkunftsangabe handelt (g.g.A.).
Anmeldung einer geografischen Herkunftsangabe
Die Anmeldung erfolgt zunächst auf nationaler Ebene – in Deutschland beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Hierbei ist eine Produktspezifikation einzureichen, die die relevanten Herstellungsschritte und den geografischen Bezug detailliert beschreibt.
Nach der nationalen Prüfung wird die Anmeldung auf EU-Ebene von der EU-Kommission geprüft. Die Prüfung durch das DPMA umfasst zudem Stellungnahmen von Fachstellen, um die Korrektheit und Plausibilität der Angaben sicherzustellen. Dies weicht von der Prüfung einer Marke bspw. ab.
Nutzung und Schutz – Wesentlicher Unterschied zur klassischen Marke
Eine eingetragene geografische Herkunftsangabe kann von jedem Marktteilnehmer verwendet werden, der ein entsprechendes Produkt herstellt und dabei die Spezifikation einhält. Wichtig: Für Erzeugnisse aus der EU müssen die Unionszeichen verwendet werden. Die Verwendung der Bezeichnung ist jedoch untersagt, wenn das Produkt nicht den Vorgaben entspricht. Damit ist auch das Nutzungsrecht durch Dritte ein wesentlicher Unterschied zur Marke, da sie von Dritten nicht für die gleichen Waren und Dienstleistungen verwendet werden darf.
Urteil zum Schutzumfang am Beispiel “Mini Rostbratwürstchen”
Ein spannendes Urteil zum Schutzumfang ist die Entscheidung des Landgerichts München I (Az. 33 O 4023/23) vom 13. Juni 2024. Das Gericht musste sich mit der Frage befassen, ob die Bezeichnung „Mini Rostbratwürstchen“ eine Verletzung der geschützten geografischen Herkunftsangabe (g.g.A.) „Nürnberger Rostbratwürste“ darstellt.
Der Schutzverein Nürnberger Wursthersteller als Kläger vertrat die Auffassung, dass die „Mini Rostbratwürstchen“ durch Größe und Form den Nürnberger Würstchen sehr ähnlich sehen. Auch der Internetauftritt sei eine Anspielung auf die geschützte Bezeichnung. Der Kläger war der Auffassung, dass auch ohne Verwendung des Begriffs „Nürnberger“ die Kombination der Merkmale geeignet sei, eine Verbindung zur geschützten Herkunft herzustellen, was Verbraucher über die tatsächliche Herkunft der Wurst irreführen könnte.
Das Gericht wies die Klage ab mit der Begründung, es sei keine hinreichende Verbindung zu der geschützten Herkunftsangabe „Nürnberger Rostbratwürste“ gegeben. Es stellte fest, dass die Größe und Form der „Mini Rostbratwürstchen“ allein keine unterscheidungskräftige Eigenschaft darstellt und verwies dabei auf eine Entscheidung des Europäische Gerichtshofs (EuGH).
Der EuGH hatte bereits in früheren Entscheidungen klargestellt, dass Verbraucher aufgrund der Vielzahl an Bratwürsten auf dem Markt mit ähnlicher Größe nicht automatisch eine Verbindung zu einem bestimmten Produkt herstellen.
Auch die Präsentation der „Mini Rostbratwürstchen“ im Internet mit Weißbrot, Sauerkraut und Senf ist nicht ausreichend, da die in der Präsentation gewählten Beilagen allgemein üblich seien. Das LG München I stellte klar, dass für den Schutz einer der Begriffe „Nürnberger“ oder „Nürnberger Rostbratwürste“ entscheidend ist. Ohne den ausdrücklichen Bezug könne keine Verbindung zur geschützten Herkunftsangabe hergestellt werden. „Mini Rostbratwürstchen“ sei dagegen rein beschreibend und führe Verbraucher nicht über die Herkunft des Produkts in die Irre.
Das Urteil zeigt die Grenzen des Schutzes geografischer Herkunftsangaben auf. Zwar schützen diese nicht nur vor direkter Nachahmung, sondern auch vor Anspielungen und Irreführungen. Dennoch müssen konkrete Hinweise auf die geschützte Herkunft vorliegen.
Ausblick – Neue EU-Verordnung
Im Hinblick auf die geografischen Herkunftsangaben gibt es auch die neue EU-Verordnung 2024/1143. Diese zielt darauf ab, die bestehenden Regelungen für geografische Angaben bei Wein, Spirituosen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen in einem einheitlichen Rechtsrahmen zu bündeln. Dadurch sollen die Verfahren vereinfacht, der Schutz gestärkt und neue Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und Online-Verkäufe berücksichtigt werden.
Harmonisierung und Vereinfachung der Verfahren
Bisher waren die Verfahren zur Eintragung, Änderung und Löschung geografischer Angaben je nach Produktkategorie unterschiedlich geregelt. Die Verordnung führt diese in einem vereinheitlichten Verfahren zusammen. Ein zentraler Punkt ist die Einführung einer Maximalfrist von sechs Monaten für die Bearbeitung von Eintragungsanträgen, was die Prozesse effizienter und planbarer macht.
Geografische Angaben als Zutaten
Die Verordnung regelt erstmals klar die Verwendung geografischer Angaben in verarbeiteten Produkten. Eine geografische Herkunftsangabe darf nur verwendet werden, wenn:
- Die geschützte Zutat einen wesentlichen Charakter für das Produkt darstellt.
- Der Prozentsatz der Zutat auf dem Etikett angegeben wird.
- Kein anderes vergleichbares Produkt enthalten ist.
Diese Regeln sollen den Missbrauch geografischer Angaben als Marketinginstrument verhindern.
Nachhaltigkeitsaspekte
Eine besondere Neuheit ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit. Erzeuger und Erzeugervereinigungen können nachhaltige Praktiken verbindlich in ihre Produktspezifikationen aufnehmen. Dies betrifft nicht nur die Herstellung, sondern auch die gesamte Lieferkette. Zu den geförderten Nachhaltigkeitsmaßnahmen gehören unter anderem:
– Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
– Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft
– Schutz der Biodiversität und der Landschaft
– Förderung sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft
Darüber hinaus können Erzeuger freiwillige Nachhaltigkeitsberichte erstellen, die öffentlich zugänglich gemacht werden. Diese Berichte können als Marketinginstrument genutzt werden, um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken und die Marktposition zu verbessern.
Schutz geografischer Angaben im digitalen Raum
Die Verordnung reagiert auf die zunehmende Bedeutung des Online-Handels. Sie erweitert den Schutz geografischer Angaben auf digitale Plattformen und Domains. Domains, die gegen geografische Angaben verstoßen, können unionsweit gesperrt werden. Online-Plattformen sind verpflichtet, irreführende Inhalte zu entfernen und sicherzustellen, dass Produkte mit geschützten Angaben korrekt gekennzeichnet sind.
Auswirkungen auf das Markenrecht
Auch die Anforderungen an Marken, die geografische Angaben enthalten, werden verschärft. Markenanmeldungen, die Anspielungen oder Nachahmungen geschützter geografischer Angaben beinhalten, werden strenger geprüft. Begriffe wie „Typ“, „Art“ oder „hergestellt wie in“ sind unzulässig, wenn sie eine Verbindung zu geschützten Angaben suggerieren.
Stärkung der Erzeugervereinigungen
Erzeugervereinigungen werden in ihrer Rolle gestärkt, um geografische Angaben effektiver zu schützen. Sie können nicht nur Eintragungsanträge stellen, sondern auch rechtlich gegen Verstöße vorgehen. Dies umfasst wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, zollrechtliche Maßnahmen und andere Durchsetzungsmechanismen.
Wettbewerbsvorteile für Unternehmen
Die Verordnung bietet Unternehmen, die auf geografische Angaben und nachhaltige Praktiken setzen, erhebliche Wettbewerbsvorteile. Die vereinfachten Verfahren und die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsmaßnahmen hervorzuheben, stärken die Marktposition und fördern das Vertrauen umweltbewusster Verbraucher.
Ob die Regelungen zu den gewünschten Erfolgen führen, wird sich zeigen. Eines zeigen die Neuerungen der Verordnung in jedem Fall: geografische Herkunftsangaben haben auch im Verkehr eine hohe Bedeutung und der geografische Bezug soll nicht ohne Weiteres für Produkte verwendet werden.